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Pflichtteilsergänzungsanspruch

Pflichtteilsergänzungsanspruch - Berechnung, Geltendmachung und Schenkung

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird oft dann relevant, wenn der Erblasser sein Vermögen vor seinem Tode an Dritte verschenkt oder übertragen hat und die Erben sich wider deren Erwarten mit einem überschaubaren Nachlassvermögen konfrontiert sehen.

Viele Erblasser sind der Ansicht missliebige Erben bzw. Pflichtteilsberechtigte damit schaden zu können, dass sie ihr Vermögen kurz vor ihrem Tod an Dritte verschenken. Dies ist jedoch ein Trugschluss und hat lediglich zur Folge, dass der sich anschließende Streit mit größerer Vehemenz geführt wird. Einen gut informierten Pflichtteilsberechtigten werden Sie mit derartigen Aktionen auch nicht ärgern können. Denn mittels des Auskunftsanspruchs können die Vermögenstransaktionen oftmals rekonstruiert und ein Pflichtteilsergänzungsanspruch berechnet werden.

Alles was Sie in den letzten zehn Jahren vor Ihrem Tod verschenken, wird – abhängig vom Zeitpunkt der Schenkung – anteilig so behandelt, als ob es noch zur Erbmasse gehört. Dadurch erhöht sich der für den Pflichtteil maßgebliche Nachlasswert und somit der Anspruch auf den Pflichtteil desjenigen, den Sie an sich benachteiligen wollten.

Welcher Anteil des Schenkungsbetrages der Erbmasse wieder hinzugerechnet wird, richtet sich dabei nach der Anzahl der seit der Schenkung vergangenen Jahre innerhalb des Zehnjahreszeitraumes: Hat die Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall stattgefunden, ist der Schenkungsbetrag dem Nachlasswert in voller Höhe wieder hinzuzurechnen. Mit jedem weiteren Jahr vor dem Erbfall verringert sich der dem Nachlass hinzuzurechnende Anteil der Schenkung um ein Zehntel. Schenkungen, die zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers vorgenommen wurden, werden nicht mehr berücksichtigt.

Ein Beispiel zum Pflichtteilergänzungsanspruch

Der alleinstehende Vater V hat drei Söhne. Während die Söhne A und B zu Erben bestimmt wurden, enterbte der Vater seinen Sohn C. Der Vater hinterließ ein Vermögen von 30.000,00 EUR, so dass C nur seinen Pflichtteil in Höhe von 5.000,00 EUR geltend machen konnte. Der Sohn C fand jedoch heraus, dass sein Vater im Jahr vor dem Erbfall 15.000,00 EUR an einen Nachbarn verschenkt hat. Im Rahmen der Pflichtteilergänzung musste der Nachlasswert so fiktiv auf 45.000 Euro angehoben werden. Mithin erhöht sich der Pflichtteil von Sohn C um weitere 2.500,00 EUR.

Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches

Dem Erblasser muss bewusst sein, dass die Folgen seiner Schenkungen empfindliche Auswirkungen auf die Erben, aber auch den Beschenkten haben. Der Erbe ist nämlich Schuldner des Pflichtteilsberechtigten und hat im Rahmen eines eventuell an Eides statt zu versichernden Nachlassverzeichnisses vollständig Auskunft über Schenkungen zu erteilen. Hierzu hat der Erbe auch den Beschenkten zu ermitteln, wenn er ihm unbekannt ist.

Aber auch der Beschenkte kann Ansprüchen ausgesetzt sein. Die Erben schulden dem Pflichtteilsberechtigten den Ergänzungsanspruch als Nachlassverbindlichkeit. Besteht keine Verpflichtung der Erben zur Ergänzung des Pflichtteils, weil sie zum Beispiel nichts oder nur Schulden hinterlassen, kann der Pflichtteilsberechtigte vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes verlangen. Dieser wiederum kann die Herausgabe abwenden, indem er dem Pflichtteilsberechtigten einen dem Wert des Geschenkes entsprechenden Betrag bezahlt.

Schenkung unter Ehegatten

Bei Schenkungen unter Ehegatten gilt es eine Besonderheit zu beachten. Die Zehnjahresfrist, innerhalb der sich der beim Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berücksichtigende Anteil der Schenkung jedes Jahr um zehn Prozent verringert, beginnt nicht vor Auflösung der Ehe. Somit kann auch eine Schenkung von vor 30 Jahren Bedeutung im Rahmen eines Erbfalles erlangen.

Schenkung einer Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt

Auch die beliebte Konstellation der vorweggenommenen Erbfolge durch Übertragung einer Immobilie unter gleichzeitigen Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchsrechts birgt Risiken, die bei der Nachlassplanung oftmals übersehen werden. Zwar ist das Interesse des Erblassers, sich das wirtschaftliche Eigentum (d.h. das Ziehen der Früchte wie Mieterträge einer Immobilie) zu erhalten, auch zur Sicherung der eigenen Unabhängigkeit sinnvoll. Allerdings muss bei der Nachlassplanung berücksichtigt werden, dass bei dieser Konstellation Konsequenzen im Falle einer späteren Pflichtteilsberechnung drohen. Mit einer jährlichen Reduktion des Pflichtteils um jeweils 10% kann nämlich nur gerechnet werden, wenn der Erblasser tatsächlich die Schenkung vollzogen hat.

Bewertung der Schenkung

Für die Pflichtteilsergänzung ist der Verkehrswert maßgeblich, allerdings gilt das Niederstwertprinzip. Das bedeutet, dass nicht verbrauchbare Gegenstände wie etwa Grundstücke zu zwei unterschiedlichen Stichtagen bewertet werden:
 

  • Wert für den Zeitpunkt der Vornahme der Schenkung
  • Wert zum Tag des Erbfalls.


Maßgeblich für die Pflichtteilsberechnungen ist sodann der niedrigere der beiden ermittelten Werte, allerdings wird der Wert, den der Gegenstand zum Zeitpunkt der Schenkung hatte, auf den Todestag indiziert. Dies bedeutet, dass ein Aufschlag für den eingetretenen Kaufkraftschwund stattfindet. Erst nach erfolgter Indizierung kann sodann festgestellt werden, welcher Stichtagswert der niedrigere ist.


Verbrauchbare Sachen (wie z.B. Geld in Form ausländischer Währungen) werden mit ihrem Wert zum Zeitpunkt der Schenkung angesetzt.

Wer sich noch eingehender mit dem Pflichtteilergänzungsanspruch auseinandersetzen möchte, dem empfehlen wir die Lektüre folgender, in diesem Zusammenhang besonders wichtiger Vorschriften:

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