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Ein Anerkenntnis muss noch nicht das Ende sein

In einem einstweiligen Verfügungsverfahren muss auch das Anerkenntnisurteil innerhalb der Monatsfrist vollzogen werden.

Das LG Köln hat in einem durch unsere Kanzlei geführten wettbewerbsrechtlichen Verfahren mit Urteil vom 07.12.2022 (AZ.: 84 O 65/22) entschieden, dass ein im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenes Anerkenntnisurteil, welches nicht innerhalb der Monatsfrist gem. §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO vollzogen wurde, mit ex-tunc Wirkung aufzuheben ist.

Sachverhalt:

Die Verfügungsklägerin, ein Inkassounternehmen, beantragte gegen die Verfügungsbeklagte aufgrund von behaupteten Wettbewerbsverstößen im Zusammenhang mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erkannte die Verfügungsbeklagte die Unterlassungsanträge innerhalb dieses Verfahrens unter Verwahrung gegen die Kostenlast an. Eine abschließende Regelung – etwa in Form der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- oder Abschlusserklärung - wurde nicht getroffen. Die Kosten des Verfahrens wurden im Vergleichswege gegeneinander aufgehoben. Es erging sodann im Termin zur mündlichen Verhandlung am 06.07.2022 ein Anerkenntnisurteil, das der Verfügungsbeklagten am 11.08.2022 im Parteibetrieb zugestellt wurde.

Die Verfügungsbeklagte, vertreten durch KBM Legal, forderte die Verfügungsklägerin mit Anwaltsschreiben vom 15.08.2022 u.a. auf, auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten und den Titel herauszugeben, da die einstweilige Verfügung nicht innerhalb der Vollziehungsfrist zugestellt wurde.

Die Verfügungsklägerin wies diese Ansprüche insbesondere mit Hinweis auf das Anerkenntnis zurück. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn die Verfügungsbeklagte sich trotz des in der mündlichen Verhandlung erklärten Anerkenntnisses nicht mehr an das Anerkenntnisurteil gebunden fühle.

Entscheidung:

Das LG Köln gab den Anträgen der Verfügungsbeklagten statt.

Es entschied, dass die Verfügungsklägerin wegen Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO einen Anspruch aus §§ 936, 927 Abs. 1 ZPO auf Aufhebung der Urteilsverfügung vom 06.07.2022 hat. Da die Frist mit Verkündung des Verfügungsurteils beginnt, fiel das Fristende auf den 06.08.2022. Die Aufhebung erfolgt mit ex-tunc-Wirkung.

Das LG Köln begründete seine Entscheidung damit, dass die Verfügungsbeklagte weder eine Unterlassungsverpflichtungserklärung noch eine Abschlusserklärung abgab. Sie wollte den Rechtsstreit nicht endgültig erledigen. Das Anerkenntnis erfolgte vielmehr aus prozesstaktischen und aus Kostengründen. Es bezog sich lediglich auf die im Rahmen des Eilverfahrens geltend gemachten Unterlassungsansprüche, sodass es mithin nur eine vorläufige Regelung im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens beinhaltete.

Wird im Verfügungsverfahren ein Anerkenntnis abgegeben, beschränkt sich dessen Wirkung grundsätzlich auf den Streitgegenstand des summarischen Verfahrens. Ein Hauptsacheanspruch, der im Verfügungsverfahren nicht Streitgegenstand ist, kann nicht Gegenstand eines Anerkenntnisses im einstweiligen Verfügungsverfahren sein. Damit kann ein Anerkenntnisurteil selbst bei entsprechendem Parteiwillen den Hauptsacheanspruch nie erfassen. Dafür bedürfte es einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung oder einer Abschlusserklärung des Verfügungsschuldners, an welcher es hier aber gerade fehlte.

Auch nach einem Anerkenntnisurteil ist für die materiell-rechtliche Erledigung der Unterlassungsansprüche eine Abschlusserklärung abzugeben oder – sofern eine solche nicht abgegeben wird – ein Hauptsacheverfahren zu führen. Ein Anerkenntnis im einstweiligen Verfügungsverfahren kann daher nicht zur Konsequenz haben, dass der Verfügungsschuldner sich nicht mehr gegen den Unterlassungsanspruch wehren kann. Wäre der Verfügungsschuldner bereits an sein prozessuales Anerkenntnis aus dem einstweiligen Rechtsschutz gebunden, könnte er sich nicht mehr verteidigen, sodass das Hauptsacheverfahren gewissermaßen sinnlos wäre.

Das Verhalten der Verfügungsbeklagten war auch nicht als rechtsmissbräuchlich zu bewerten, da eine endgültige Erfüllung des Unterlassungsgebots nicht gegeben war und die Verfügungsbeklagte lediglich von ihren Rechten Gebrauch machte.

Fazit:

Das LG Köln hat vorliegend zu einer Frage entschieden, die in Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich des Anerkenntnisurteils bisher noch wenig Beachtung gefunden hat und streitig ist. Die Verfügungsklägerin berief sich bei ihrer Argumentation – letztlich ohne Erfolg - auf ein Urteil des Landgerichts Traunstein (Urteil vom 27.07.2018, 1 HKO 1118/17, openjur.de/u/2294586.html)), das einen entsprechenden Antrag auf Aufhebung einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und dabei ein Urteil des Landgerichts Stuttgart (Urteil vom 21.02.2014, 11 O 28/13, MMR 2014, 539) zu einem ähnlichen Fall als nicht überzeugend beurteilt hatte.

Diese Entscheidung zeigt, dass es von Erfolg gekrönt sein kann, wenn auch in aussichtslos erscheinenden Situationen alle noch bestehenden rechtlichen Möglichkeiten geprüft, im Auge behalten und letztlich gerichtlich durchgesetzt werden.

Bei Fragen zu diesem Thema oder zu anderen wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen stehen Ihnen die Anwälte von KBM Legal, insbesondere Rechtsanwalt Götz Sommer und Rechtsanwalt Marc Nörig, jederzeit gerne zur Verfügung.