Ist es eins, oder ist es keins? Zu den Anforderungen an ein sog. „Brieftestament“

Das OLG Saarbrücken entschied, dass ein Schreiben, in dem die notariell beurkundete Erbeinsetzung für das nächste Jahr angekündigt wird, den strengen Anforderungen, die an ein sog. Brieftestament zu stellen sind, nicht genügt. Zwar seien die formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB erfüllt, es blieben jedoch erhebliche Zweifel, ob ein ernstlicher Testierwille vorgelegen hat.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte zu einem möglichen Brieftestament zu entscheiden, und hat mit Beschluss vom 23.11.2021, AZ. 5 W 62/21, entschieden, dass ein Schreiben, in dem die notariell beurkundete Erbeinsetzung für das nächste Jahr angekündigt wird, den strengen Anforderungen, die an ein sog. Brieftestament zu stellen sind, nicht genügt. Zwar seien die formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB erfüllt, es blieben jedoch erhebliche Zweifel, ob ein ernstlicher Testierwille vorgelegen hat.

Sachverhalt:

Die Beteiligten zu 3) und zu 4) beantragten die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins über die jeweils hälftige Beerbung der am xxx verstorbenen Erblasserin. Zur Begründung ihres Erbrechts beriefen sie sich auf ein Schreiben vom 27. Dezember 2018. Darin hatte die unverheiratete und kinderlose Erblasserin den Beteiligten zu 3) und zu 4) u. a. folgendes mitgeteilt:

„Ich möchte mich für die liebevolle Aufnahme am 1. Weihnachtstag recht herzlich bedanken. (…)
Im neuen Jahr gehe ich mit Toni zum Notar, ihr allein sollt meine Erben sein. Meine Patin kümmert sich überhaupt nicht um mich, da ist jede Verbindung abgebrochen. (…)“

Für die Erblasserin war zudem am 20. September 2019 ein Beurkundungstermin bei dem Notar vereinbart worden, bei dem ein im Entwurf vorgelegtes Testament beurkundet werden sollte, in dem die Beteiligten zu 3) und zu 4) – jeweils hälftig – zu Erben berufen werden sollten. Nach Darstellung der Beteiligten zu 3) und 4) konnte dieser Termin aufgrund einer Krankenhauseinweisung der Erblasserin auch in der Folge nicht mehr stattfinden.
Das Amtsgericht St. Wendel – Nachlassgericht – hat die Tatsachen, die zur Erteilung des von den Beteiligten zu 3) und zu 4) beantragten Erbscheins erforderlich sind, entgegen des Widerspruchs der Beteiligten zu 1) und 2) (gesetzliche Erben) für festgestellt erachtet und die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins bewilligt. Hiergegen wandten sich die Beteiligten zu 1) und zu 2) mit ihrer Beschwerde, in der sie weiterhin u. a. die Ansicht vertraten, dass das Schreiben vom 27. Dezember 2018 lediglich eine Grußkarte und kein Testament darstelle.

Entscheidung des OLG Saarbrücken

Die gegen die Entscheidung des Amtsgerichts St. Wendel eingelegte Beschwerde hat vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken Erfolg. Auch wenn die schriftlich niedergelegte Erklärung der Erblasserin, den formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB genüge, d. h. insbesondere eigenhändig geschrieben und unterzeichnet ist, könne sie nur dann als letztwillige Verfügung gelten, wenn sie auf einem ernstlichen Testierwillen der Erblasserin beruhe.
Ob ein solcher ernstlicher Testierwille vorgelegen hat, ist notfalls im Wege der Auslegung sowie unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen. An den Nachweis des Testierwillens sind bei einem Brieftestament strenge Anforderungen zu stellen.     

Bei Anwendung dieser Grundsätze könne das Schreiben der Erblasserin vom 27. Dezember 2018 – aufgrund verbleibender Zweifel an einem ernstlichen Testierwillen – daher nicht als letztwillige Verfügung angesehen werden. Zwar hat die Erblasserin die Beteiligten zu 3) und 4) als „Erben“ bezeichnet, eine finale Bestimmung sollte darin mit Blick auf das angesprochene notarielle Testament aber nicht liegen. Vielmehr hatte die Erblasserin mit dem Schreiben vom 27. Dezember 2018 angekündigt die Beteiligten zu 3) und zu 4) als Erben einsetzen zu wollen. Eine Ankündigung ist aber gerade keine finale Erbeinsetzung. Dafür sprechen auch der notarielle Entwurf sowie die Vereinbarung des Beurkundungstermins. Die Vereinbarung eines Beurkundungstermins und die auf Seiten der Erblasserin offenbar gesehene Notwendigkeit eines solchen Schrittes deuten unter den gegebenen Umständen darauf hin, dass die Erblasserin davon ausging, bislang nicht rechtsgültig testiert zu haben.

Fazit:

Grundsätzlich ist es möglich, im Rahmen eines Briefes zu testieren. Allerdings beschäftigen derartige Fälle immer wieder die Gerichte. Soweit in einem Brieftestament eine wirksame letztwillige Verfügung getroffen werden soll, ist zwingend erforderlich, dass der ernstliche Testierwillen unzweifelhaft zum Ausdruck kommt. 

Haben Sie Fragen zum Erbrecht? Die Anwälte von KBM Legal Ihnen dazu jederzeit gerne zur Verfügung.