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Zu dem Artikel "Ein Anerkenntnis muss noch das Ende sein"

Nachfolgend finden Sie die vollständige Entscheidung zu dem Urteil des LG Köln vom 07.12.2022 (Az.: 84 O 65/22)

Landgericht Köln, Urteil vom 06.12.2022, Az. 84 O 65/22,

In dem Aufhebungsverfahren

1. […]

2. […],

Antragsgegner, Antragsteller und Verfügungsbeklagte,

Verfahrensbevollmächtigte zu 1, 2: Rechtsanwälte KBM Legal GbR, Hansaring 97, 50670 Köln,

g e g e n

[…]

Antragsgegnerin und Verfügungsklägerin,

Verfahrensbevollmächtigter: […]

hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 24.11.2022 durch […] für R e c h t erkannt:

  1. Das Anerkenntnis-Urteil der 4. Kammer für Handelssachen vom 06.07.2022 (84 O 65/22) wird mit Wirkung ex-tunc aufgehoben.
  2. Die Antragsgegnerin/Verfügungsklägerin wird verpflichtet, die Ausfertigung der in Ziff. I. bezeichneten einstweiligen Verfügung an die Antragsteller herauszugeben.
  3. Die Kosten des Aufhebungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin/Verfügungsklägerin.
  4. Eine Kostenentscheidung bezüglich des Erlassverfahrens ist (weiterhin) nicht veranlasst.
  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin/Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsteller/Verfügungsbeklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

 

T A T B E S T A N D :

Auf Antrag der Antragsgegnerin/Verfügungsklägerin (im Folgenden nur: Antragsgegnerin) ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 06.07.2022 gegen die Antragsteller/Verfügungsbeklagten (im Folgenden nur: Antragsteller) Anerkenntnis-Urteil ergangen. Wegen des Inhalts verweist die Kammer auf Bl. 467 ff. GA. Im Rahmen eines Kostenvergleichs sind die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben worden (Bl. 459-460 GA).

Die Antragsgegnerin stellte den Antragstellern in Person ihrer Verfahrensbevollmächtigten die Urteilsverfügung unter dem 11.08.2022, mithin nicht mehr innerhalb der Monatsfrist der §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO, zum Zwecke der Vollziehung zu (Anlage KBM5).

Die Antragsteller forderten die Antragsgegnerin mit Anwaltsschreiben vom 15.08.2022 (Anlage KBM6) auf, auf alle Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten, sämtliche Kosten aus dem Verfügungsverfahren zu tragen und den Titel herauszugeben.

Die Antragsgegnerin reagierte hierauf mit Schreiben vom 22.08.2022 (Anlage KBM7) und ließ mitteilen, das Schreiben sei nicht nachvollziehbar, da die verfahrensgegenständlichen Unterlassungsanträge im Termin zur mündlichen Verhandlung anerkannt worden sein. Sie verzichtete weder auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung noch wurde durch sie der Titel herausgegeben noch die Kosten erstattet.

Unter dem 07.09.2022 haben die Antragsteller daraufhin Aufhebungsantrag nach § 927 ZPO gestellt.

 

Die Antragsteller beantragen,

  1. die einstweilige Urteilsverfügung der Kammer vom 06.07.2022 (Az. 84 O 65/22) aufzuheben;
  2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Ausfertigung der in Ziff. 1 bezeichneten einstweiligen Verfügung an die Antragsteller herauszugeben;
  3. der Antragsgegnerin die Kosten des Aufhebungs- und des Anordnungsverfahrens aufzuerlegen.

 

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Es sei zwar zutreffend, dass die verfahrensgegenständliche Urteilsverfügung nicht innerhalb der Vollziehungsfrist der § § 936,929 Absatz 2ZPO von der Antragsgegnerin zugestellt worden sei, jedoch rechtfertige das vorliegend nicht die Aufhebung des einstweiligen Verfügungsurteils, weil die Antragsteller sich rechtsmissbräuchlich verhielten, indem sie sich trotz erklärten Anerkenntnisses in der mündlichen Verhandlung nun nicht mehr an das ergangene, ihnen innerhalb der Vollziehungsfrist von Amts wegen zugestellte und auch in der mündlichen Verhandlung verkündete Anerkenntnisurteil gebunden fühlen wollten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

 

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :

Die Anträge der Antragsteller haben in der Hauptsache Erfolg. Hinsichtlich der Kosten des Erlassverfahrens verbleibt es aber bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Kostenvergleich.

I. Antrag zu 1. (Aufhebung des Anerkenntnis-Urteils)

Die Antragsteller haben wegen Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 1 ZPO einen Anspruch aus §§ 936, 927 Abs. 1 ZPO auf Aufhebung der Urteilsverfügung vom 06.07.2022. Die Aufhebung erfolgt mit Wirkung ex tunc.

 

1) Dass die Vollziehungsfrist des gemäß § 936 ZPO auf einstweilige Verfügungen anwendbaren § 929 Abs. 2 ZPO nicht gewahrt ist, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO beginnt mit Verkündung des Verfügungsurteils, nicht erst mit dessen Zustellung und ist mithin im vorliegenden Fall am 06.08.2022 abgelaufen. Die Antragsgegnerin stellte den Antragstellern in Person ihrer Verfahrensbevollmächtigten die Urteilsverfügung jedoch erst unter dem 11.08.2022 zum Zwecke der Vollziehung zu. Wird die Vollziehungsfrist versäumt, wird die einstweilige Verfügung unheilbar unwirksam. Auf Antrag des Schuldners, der im Verfahren nach § 927 ZPO gestellt werden kann, ist die Verfügung dann – mit Wirkung ex tunc – aufzuheben.

 

2) Den Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung kann die Antragsgegnerin den Antragstellern nicht entgegenhalten.

Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln kann sich ein Schuldner, der das titulierte Unterlassungsgebot bereits freiwillig endgültig erfüllt und den Gläubiger so gestellt hat, wie dieser bei Vollziehung und Vollstreckung der einstweiligen Verfügung stehen würde, nach den auch das Prozessrecht beherrschenden Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf eine fehlende Vollstreckung des Titels berufen (Urteil vom 13.10.2017 - 6 U 83/17 – Poststreik – Rn. 31; Urteil vom 06.04.2001, 6 U 35/10, InVo 2002, 122, Juris-Tz. 2).

 

Eine solche Fallkonstellation liegt hier indes nicht vor.

Die Antragsteller haben die geltend gemachten Unterlassungsansprüche im Termin zur mündlichen Verhandlung nach Erörterung der Sach- und Rechtslage zwar anerkannt. Es ist auch davon auszugehen, dass die Antragsteller ihren Unterlassungsverpflichtungen aus dem Anerkenntnis-Urteil vom 06.07.2022 nachgekommen sind. Eine durch Urteil erlassene Verbotsverfügung ist bereits mit ihrer Verkündung wirksam und vom Schuldner ab diesem Zeitpunkt zu beachten, unabhängig von der Frage ihrer Vollziehung durch Parteizustellung (s. BGH GRUR 2015, 196 – Nero, Juris-Tz. 22).

Es fehlt jedoch an einer endgültigen Erfüllung des Unterlassungsgebots.

Die Antragsteller haben weder eine Unterlassungsverpflichtungserklärung noch eine Abschlusserklärung abgegeben. Das Anerkenntnis der Antragsteller bezog sich lediglich auf die im Rahmen des Eilverfahrens geltend gemachten Unterlassungsansprüche. Das Anerkenntnis-Urteil der Kammer beinhaltet mithin nur eine vorläufige Regelung im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens. Unwidersprochen haben die Antragsteller das Anerkenntnis nur aus prozesstaktischen Gründen und aus Kostengründen erklärt.

Die Wirkungen eines im Verfügungsverfahren erklärten Anerkenntnisses oder eines Prozessvergleichs beschränken sich grundsätzlich auf den Streitgegenstand des summarischen Verfahrens (vgl. Feddersen in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 55. Kapitel Rn. 33). Ein Hauptsacheanspruch, der im Verfügungsverfahren nicht Streitgegenstand ist, kann nicht Gegenstand eines Anerkenntnisses im einstweiligen Verfügungsverfahren sein, sodass ein Anerkenntnisurteil selbst bei entsprechendem Parteiwillen den Hauptsacheanspruch nie erfassen kann. Hier bedarf es, um auch den Streit in der Hauptsache zu vermeiden, einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung oder einer Abschlusserklärung des Verfügungsschuldners (vgl. Feddersen in Teplitzky, a.a.O.; vgl. auch Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 22.02.2007, 2 U 173/06).

Vorliegend ergibt sich weder aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2022 noch aus dem Kostenvergleich noch aus dem Anerkenntnisurteil selbst in irgendeiner Weise, dass die Parteien den Rechtsstreit endgültig erledigen wollten. Vielmehr sprechen die o.g. Gesichtspunkte dagegen.

Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn das Anerkenntnis im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens dazu führen würde, dass dem Verfügungsschuldner jegliche Vorgehensmöglichkeiten gegen den Unterlassungsanspruch versperrt wären, da es dann bereits keinen Sinn ergeben würde, dass auch nach einem Anerkenntnisurteil für die materiell-rechtliche Erledigung der Unterlassungsansprüche eine Abschlusserklärung abzugeben ist oder – sofern eine solche nicht abgegeben wird – ein Hauptsacheverfahren zu führen ist. Der Verfügungsschuldner könnte sich in diesem Fall, da er an sein prozessuales Anerkenntnis gebunden wäre, nicht mehr zur Wehr setzen, sodass das Verfahren gewissermaßen sinnlos wäre (vgl. hierzu auch Oberlandesgericht Stuttgart, a.a.O.).

 

II. Antrag zu Ziff. 2. (Herausgabe des Titels)

Die Antragsgegnerin verweigert die Herausgabe des Titels, sodass die weitere Vollstreckung droht und zur Verhinderung die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs erforderlich ist. Die Aufhebung allein kann diese Gefahr nicht beseitigen.

 

III. Antrag zu Ziff. 3. (Kosten)

Die Kosten des Aufhebungsverfahrens hat die Antragsgegnerin gemäß § 91 ZPO zu tragen.

Die Aufhebung des Anerkenntnis-Urteils erfolgt mit Wirkung ex tunc, so dass an sich nicht nur die Kosten des Aufhebungsverfahrens, sondern auch die des ursprünglichen Verfügungsverfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen wären (OLG Köln, Urteil vom 13.10.2017 - 6 U 83/17 – Poststreik – Rn. 28).

Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung einen Kostenvergleich geschlossen haben, wonach die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegeneinander aufgehoben werden. Dieser Vergleich bleibt sowohl als prozessuale als auch materiell-rechtliche Regelung bestehen und wird von nachträglich eintretenden Umständen - wie hier die verspätete Vollziehung – nicht berührt.

Sollten in zivilrechtlicher Hinsicht von Seiten der Antragsteller Möglichkeiten bestehen, sich von diesem Vergleich zu lösen, sind entsprechende Willenserklärungen jedenfalls nicht abgegeben worden.

 

IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Streitwert: 100.000,00 €