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Wenn nur eins von zwei Originaltestamenten vernichtet wird.

Das OLG Köln entschied zu der Frage, welche Erbfolge gilt, wenn nur eines von zwei Originalen vernichtet wird.

Mit Beschluss vom Beschluss vom 22.04.2020 – 2 Wx 84/20 hatte das OLG Köln in einem Fall zu entscheiden, in dem der Erblasser nur eines von zwei Originaltestamenten durch zerreißen vernichtete. Nach Eintritt des Erbfalls war streitig, wer nun Erbe ist. Das Gericht kam hier zu der Entscheidung, dass bei Vorliegen zweier Originale die Vernichtung nur eines Dokumentes ausreicht, sofern der Wille der Erblasserin feststeht. 

Sachverhalt:

Die Erblasserin und ihr Ehemann haben 2007 einen Erbvertrag aufgesetzt, der den Beschwerdegegner, ihren Urenkel, zum alleinigen Erben einsetzte. Der Ehemann verstarb 2008. Die Erblasserin widerrief 2015 diese Verfügung mit einem privatschriftlichen Testament und setzte die Beschwerdeführerin, welche bislang als ihre Haushälterin tätig war, als alleinige Erbin ein. Als sie an der Erbeinsetzung der Beschwerdeführerin nicht länger festhalten wollte, zerriss sie das Original des Testamentes vor Augen ihres Rechtsanwaltes. 

Nachdem die Erblasserin 2019 verstarb, beantragte der Beschwerdegegner die Erteilung eines Erbscheines, der ihn als alleinigen Erben ausweist. Er führte an, dass das Testament bezüglich der Beschwerdeführerin wirksam widerrufen wurde und die Erbfolge sich nun wieder nach dem Erbvertrag von 2007 richte. Dementgegen erwiderte die Beschwerdeführerin, dass das einzige Original des Testamentes jenes sei, welches dem Nachlassgericht vorliege. Die Erbfolge richte sich nach eben diesem Testament.

Das Nachlassgericht musste entscheiden, ob dem Urenkel auf seinen Antrag hin ein ihn als Alleinerben ausweisender Erbschein erteilt werden kann. Nach einer Beweisaufnahme kam das Nachlassgericht zu dem Ergebnis, dass der Wille der Erblasserin klar feststand, sie wollte die Haushälterin nicht länger beerben. Folge dessen ist, dass der Urenkel Alleinerbe wurde. Der Erbschein war damit ihm zu erteilen. Die von der Haushälterin eingelegten Beschwerde wurde nicht abgeholfen. 

Entscheidung des OLG Köln:

Das OLG Köln wies die Beschwerde mit Beschluss vom 22.04.2020 zurück. Das Amtsgericht habe zu Recht festgestellt, dass die Erbfolge sich gemäß dem Erbvertrag von 2007 richte. Das Testament sei, wie das Nachlassgericht richtigerweise angenommen hätte, mit Zerreißen des einen Originaldokumentes unwirksam geworden. 

Grundsätzlich kann ein Erblasser ein Testament ohne besonderen Grund widerrufen, indem er dieses bspw. vernichtet (gem. §§ 2253, 2255 S.1 BGB). Existieren mehrere Urkunden und wird nur eine Urkunde vernichtet, so wird der Widerruf nur dann wirksam, wenn keine Zweifel am Aufhebungswillen des Erblassers bestehen. Dieser müsse sich jedoch gerade auf alle gleichlautenden Testamentsurkunden beziehen und zweifelsfrei festgestellt werden können. Eben dies war hier der Fall. Der von der Erblasserin beauftragte Rechtsanwalt bezeugte den ausdrücklichen Wunsch der Erblasserin, das Testament zu Gunsten der Haushälterin aufzuheben. Zudem sei hohen Alters der Erblasserin davon auszugehen, dass sie die Existenz des zweiten Originals schlichtweg vergessen hat. 

Fazit:

1. Existieren mehrere Testamentsurkunden findet die Vermutungsregelung des § 2255 S.2 BGB keine Anwendung.
2. Ein Erblasser kann sein Testament durch die Vernichtung lediglich eines Originals aufheben, sofern sein ausdrücklicher Aufhebungswille bezüglich aller vorhandenen Urkunden zweifelsfrei festgestellt werden kann.


Haben Sie Fragen zur Erbfolge? Die Anwälte von KBM Legal Ihnen dazu jederzeit gerne zur Verfügung.