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Kein Erbe für einen Sportwagen

Auch vom Notar erstellte Verträge können rechtsunwirksam sein

Es besteht heutzutage immer noch der Irrglaube, dass ein vom Notar erstellter und vor dem Notar unterzeichneter Vertrag stets rechtsgültig ist. Allerdings können auch Notare Fehler machen, insbesondere, wenn sich die Parteien zwar bei Unterschrift einig erscheinen, es in Wahrheit jedoch nicht sind. Oft ist ihm der gesamte Sachverhalt, wie die Familiengeschichte, gar nicht bekannt. Den Alltag der Familienstreitigkeiten erlebt ein Notar häufig nicht, sondern vielmehr erst den Zeitpunkt, wenn sich die Familie nach langem Streit auf eine scheinbare Lösung geeinigt hat, die nun vor einem Notar beurkundet werden soll. Gerade im Erbrecht, in denen Fehler erst nach Jahrzehnten auftreten können, wiegen diese schwer. Bei Testamenten und Erbverträgen kann ein rechtsunwirksamer Vertrag oftmals nicht mehr geheilt werden, insbesondere wenn der Erblasser nicht mehr lebt.  

Der Fall eines 18-jähigen Sportwagenliebhabers, über den das OLG Hamm jüngst entschieden hat, zeigt genau diesen Sachverhalt auf.


Ein Zahnarzt hatte sich im Jahr 1997 von seiner Frau scheiden lassen.
Der 1995 geborene Sohn wuchs bei der Mutter auf und zog 2013 zum Vater, um dort eine Ausbildung als Zahntechniker zu beginnen.

Vater nutzt die Begeisterung seines Sohnes für den Sportwagen aus

Der Sohn begeisterte sich für den 100.000 € teuren neuen Sportwagen des Vaters. Kurz nach dem 18. Geburtstag unterzeichnete der Sohn bei einem Notar die Vereinbarung, dass er auf alle umfassenden Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch verzichten würde. Dafür sollte er an seinem 25. Geburtstag den Sportwagen erhalten, vorausgesetzt er würde seine Ausbildung und seine Meisterprüfung mit der Note 1 bestehen. Bereits wenige Stunden nach der Verzichtserklärung kamen dem jungen Mann allerdings Zweifel an der Vereinbarung. Da der Vater auf den notariell beglaubigten Vertrag bestand, sucht der Sohn einen Anwalt auf, um den Verzicht rückgängig zu machen.

Gericht erklärt notariell beglaubigten Verzicht als sittenwidrig

Das Oberlandesgericht in Hamm gab dem jungen Mann recht und stufte die Vereinbarung zwischen Vater und Sohn als sittenwidrig und damit als nichtig ein. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit erheblichen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Vaters und dessen Beweggründen. Dieser beteuerte zwar, nur im besten Sinne seines Sohnes gehandelt zu haben. Er wollte ihn lediglich motivieren, seine Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Das Gericht sah darin aber zunächst eine Einschränkung der freien Berufswahl des jungen Mannes. Außerdem befanden sie den Druck zu einer Bestnote in seinem Berufsabschluss als zu hoch. Auch hätte eine reine Motivation nicht an einen vollständigen Erbverzicht gekoppelt werden müssen. Denn dieser trat sofort ein, während die „Belohnung“ nur unter bestimmten Umständen folgen würde. Im schlimmsten Fall würde der Sohn ganz leer ausgehen. Negativ bewerten die Richter auch den Werteverlust des teuren Sportwagens. Da der Sohn diesen frühestens mit 25 Jahren, also 7 Jahre nach Vertragsunterzeichnung, bekommen hätte. Erschwerend kam letztlich noch hinzu, dass der Sohn den Vertragsentwurf nicht vorab einsehen konnte und diesen beim Notar unterschrieb, ohne sich der vollen Konsequenzen bewusst werden zu können.

Kein Verzicht auf Pflichtanteil im Erbe

Inzwischen hat der Sohn seine Ausbildung abgebrochen und ist zur Mutter zurückgezogen. Demnach wäre er leer ausgegangen, hätte er keinen Einspruch eingelegt. Ohne Erbanteil, ohne Pflichtteil und ohne Sportwagen. Mit dem Urteil des Oberlandesgerichts wird der junge Mann zwar auf den begehrten Sportwagen verzichten müssen, dafür steht ihm aber der gesetzliche Pflichtteilsanspruch nach Ableben des Vaters wieder zu.

Aus diesem Urteil ist zu ersehen, dass nicht jeder Vertrag rechtgültig ist, nur weil er von einem Notar erstellt und beurkundet wurde. Auch bei einem Notar kann es vorkommen, dass dieser einen sittenwidrigen Vertrag erstellt oder einen solchen beurkundet. Es gilt daher auch bei Notarverträgen, vor Unterzeichnung innezuhalten und sich ggfs. anwaltlicher Hilfe zu bedienen, um sich die Tragweite der zu unterschreibenden Erklärung vor Augen zu führen.

Verträge nicht "blind" unterschreiben

Zudem sollte sich niemand zu einer Unterschrift drängen lassen. Derartige Drucksituationen deuten in der Regel auf einen einseitig benachteiligenden Vertrag hin. Jeder Notar sollte normalerweise darauf hinwirken, dass eine Urkunde nicht am gleichen Tag vorgelegt und unterschrieben wird. Allerdings gilt eine derartige Wartefrist verbindlich nur bei einigen Formen von Grundstücksgeschäften. Hintergrund dieser Wartefristen ist es sicherzustellen, dass die Verträge von den Verbrauchern verstanden werden.  Bei  Pflichtteilsverzichtsverträgen gibt es eine derartige Schutzfrist jedoch nicht und es hängt an dem Notar, ob er Bedenken hinsichtlich des Informationsstands einer Partei hat.

Leider werden jedoch heutzutage immer noch Pflichtteilsverzichtsverträge unterzeichnet, welche dem Verzichtenden erst im Beurkundungstermin vorgelegt werden. Wichtig ist daher, sich eine Bedenkzeit einräumen zu lassen und notarielle Verträge nicht „blind“ zu unterschreiben.
Im Gegensatz zu einem Notar, der oftmals von einer Seite beauftragt und bezahlt wird, wird ein Anwalt nur Ihre Interessen vertreten und einen zu unterschreibenden Vertrag einzig und allein darauf überprüfen, ob dieser für Sie günstig ist und welche Einzelheiten in Ihrem Interesse ergänzt werden müssen. Gerade bei einem Pflichtteilsverzicht sollten die Details ausgehandelt und nicht einseitig vorgegeben werden.