Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29.06.2016 – 5 AZR 716/15
Vorinstanzen: LArbG Köln, Urteil vom 15.10.2015 – 8 Sa 540/15
ArbG Aachen, 21.04.2015 – 1 Ca 448/15
Ausgangslage Ein Rettungsassistent mit einem Grundgehalt in Höhe von 2.680,31 EUR hat auf zusätzliche Vergütung von Bereitschaftszeiten geklagt. Nach seiner Auffassung wurde bei seinem Grundgehalt nicht die Bereitschaftszeit von 9 Stunden pro Woche abgegolten, sondern lediglich die 39-stündige regelmäßige Wochenarbeitszeit, welche sich aus der Vollarbeitszeit und einer zu berücksichtigenden Bereitschaftszeit zusammensetzt. Er ist der Auffassung, dass der auf sein Beschäftigungsverhältnis anzuwendende Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) eine gesonderte Vergütung von Bereitschaftszeiten nicht vorsehe, sodass die entsprechende Vergütungsregelung nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 01.01.2015 unwirksam sei. Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht blieb für den Kläger ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe Auch das Bundesarbeitsgericht sieht die Lohnzahlungspflicht des Arbeitsgebers als erfüllt an . Die dem Kläger gezahlte monatliche Vergütung umfasse die gesamte Vollarbeits- und Bereitschaftszeit. Die Erbringung von Bereitschaftszeiten ist nach Auffassung des Gerichts zwar eine grundsätzlich mit dem Mindestlohn zu vergütende Arbeitsleistung. Denn auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit ist als Arbeit in diesem Sinne zu verstehen und folglich vergütungspflichtig. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden vereinbart, welche die Summe der Vollarbeits- und Bereitschaftszeit bildet. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag beträgt die wöchentliche Vollarbeitszeit 39 Stunden, siehe § 6 Abs. I TVöD-V, nach der sich die Entgelttabelle des Klägers richtete. Für Bereitschaftszeiten, welche im Rettungsdienst und in Leitstellen anfallen, gilt die zusätzliche Regelung, dass die Summe aus Bereitschaftszeiten und Vollarbeitszeiten im Durchschnitt 48 Wochenstunden nicht überschreiten soll, siehe Abschnitt B des Anhangs zu § 9 TVöD-V. Geleistete Bereitschaftszeiten werden zudem zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert). Nach wörtlicher und systematischer Auslegung der tarifvertraglichen Regelungen kam das Bundesarbeitsgericht vorliegend zu dem Ergebnis, dass sich die Entgelttabelle auch auf die faktorisierten Arbeitszeiten beziehe. Sowohl die Vollarbeits- als auch die Bereitschaftszeit werde mit dem Gehalt abgegolten , sodass zu prüfen war, ob das dem Kläger gezahlte Entgelt die Untergrenzen des gesetzlichen Mindestlohnes wahrt. Gemessen an seinem Grundgehalt erhält der Kläger bei einer 48 Stundenwoche einen über dem Mindestlohn befindlichen Stundenlohn von 12,84 EUR. Wegen Erfüllung des Vergütungsanspruches wurde ihm kein hierüber hinausgehender Zahlungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber zuerkannt.
Kommentar Aus diesem Urteil geht hervor, dass Arbeitnehmer für jede erbrachte Arbeitsstunde zumindest Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben. Als Arbeit in diesem Sinne gilt auch, wenn sich der Arbeitnehmer auf Geheiß des Arbeitgebers zur Verrichtung seiner Tätigkeit bereithält, über diese Zeit also nicht frei disponieren kann. Hierzu gehören auch Bereitschaftszeiten. Die Arbeitnehmer haben jedoch keinen Anspruch auf eine gesonderte Vergütung, sofern das gezahlte Arbeitsentgelt die Vergütung der Bereitschaftszeit mit erfasst und gemessen am Stundenlohn mindestens die Höhe des derzeit geltenden gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 EUR pro Stunde erfüllt.