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Die Grenzen der Abstimmungsfreiheit

Gesellschafter sind grundsätzlich frei in ihrem Abstimmungsverhalten. So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil der Media-Saturn Holding am 12.04.2016. Damit bezieht sich der BGH auf die bisherige Rechtsprechung zur Treuepflicht von Gesellschaftern. Dennoch kann die Willensentscheidung eines Gesellschafters hinterfragt werden.

Mit der Rechtsprechung im Sinne der Mehrheitsgesellschafterin Metro Group (75,41 %) beendete der Bundesgerichtshof in letzter Instanz einen der vielen Machtkämpfe zwischen Media Markt Gründer Erich Kellerhals (21,6 %) und der Metro Group. Damit ist das Urteil des BGH für die freie Abstimmung von Gesellschaftern ein „Sieg“ für die Mehrheitsgesellschafterin der Media-Saturn Holding. Allerdings muss man das gesamte Verfahren und die Publikwerden dieses Streits als ein Lehrstück misslungener Unternehmenskommunikation ansehen. Für Unbeteiligte bleibt die Frage offen, welche Früchte dieser Gesellschafterstreit noch trägt, wenn sich die Gesellschafter schon über zweifellose Sachverhalte streiten.

Mindestgesellschafter klagt gegen Stimmenthaltung

Gegenstand der Klage ist das Abstimmungsverhalten der Mehrheitsgesellschafterin während einer Gesellschaftsversammlung vor rund vier Jahren. Bei der Abstimmung über 50 neue Standorteröffnungen im In-und Ausland stimmte die Mehrheitsgesellschafterin in zwölf von 50 Fällen entweder gegen die vorgeschlagene Maßnahme oder enthielt sich der Stimme. Dies habe rein formale Gründe, betonte die Metro Group, weil die Gesellschafterversammlung für derartige Maßnahmen und Entscheidungen nicht zuständig sei. Die Entscheidung könne die Geschäftsführung allein treffen. Durch die Ablehnung und Enthaltung der Stimme war die notwendige 80%-Mehrheit nicht erreicht. Die Anträge wurden somit als abgelehnt ins Protokoll aufgenommen. Als Minderheitsgesellschafter focht Kellerhals diese Beschlüsse vor Gericht an. Unbestritten waren die Standortentscheidungen sinnvoll. Daher wurde, laut Kellerhals, sowohl mit der Stimmenthaltung als auch mit der Ablehnung der weitere operative Ablauf blockiert.

Das Oberlandesgericht München hatte 2014 im Sinne Kellerhals entschieden. Ohne inhaltliche Einwände ist die Nein-Stimme eines GmbH-Gesellschafters wegen Treupflichtverletzung unwirksam. Sich allein aus formalen Gründen gegen eine sinnvolle Maßnahme zu stellen und hierdurch gegen die Interessen der Gesellschaft zu handeln, stelle treuwidriges Verhalten dar.

Bundesgerichtshof weist Klage endgültig ab

Diese Rechtsprechung hielt der Überprüfung durch die BGH-Richter nicht stand. Sie hoben das Urteil auf und stellten den ablehnenden Richterspruch aus der ersten Instanz (LG Ingolstadt - Urteil vom 15. Oktober 2013 – 1 HKO 188/13) wieder her (BGH, Urteil vom 12.04.2016 - II ZR 275/14).

In ihrem Urteil unterstreichen die Karlsruher Richter, dass ein Gesellschafter grundsätzlich in seinem Abstimmungsverhalten frei ist. Damit knüpfen sie an ihre bisherige Rechtsprechung an, wonach eine Pflicht zu einer bestimmten Stimmabgabe nur in Ausnahmesituationen − nämlich bei Gefährdung des Vermögensbestandes möglich ist.

Ein Metro-Sprecher begrüßte die Entscheidung mit den Worten: "Ein Gesellschafter des Unternehmens kann die Gesellschafterversammlung nicht instrumentalisieren, um dem Mehrheitsgesellschafter eine Entscheidung und ein Stimmverhalten vorzugeben."

Einstimmige Beschlüsse stärken die Richtung eines Unternehmens.

Allerdings muss man sich vor Augen führen, dass Kellerhals mit seiner Klage ein wirtschaftlich sinnvolles Ergebnis für die Gesellschaft herbeiführen wollte. Die Intention des Minderheitsgesellschafters durch einen Gesellschafterbeschluss für einen klaren Kurs zu sorgen, ist nachvollziehbar. Die Willensbildung der Gesellschaft erfolgt allein in der Gesellschafterversammlung. Indem diese einen einstimmigen Beschluss über anstehende Maßnahmen trifft, wird der Geschäftsführung ein klarer Handlungsauftrag erteilt und Sicherheit bezüglich der Unternehmensrichtung vermittelt. Die ausführende Geschäftsführung erhält „grünes Licht“ und kann sich auf die Umsetzung der Maßnahmen konzentrieren.

Wenn die Standortmaßnahmen allesamt tatsächlich unstreitig gewollt waren, muss man sich fragen, wieso es überhaupt zu diesem Streit gekommen ist. Es hat daher den Anschein, als ob es der Metro Group bei der Ablehnung eines Teils der Anträge eher um das Prinzip ging, einem Antrag des Minderheitsgesellschafters nicht in Gänze zustimmen zu wollen und weniger um das Wohl der Gesellschaft. Im Gerichtsverfahren wurden stichhaltige Gründe für das Abstimmungsverhalten jedenfalls nicht geliefert. Laut Tatbestand waren alle Standortmaßnahmen unstreitig gewollt und sinnvoll.

Das Eingreifen der Gerichte in die Willensbildung der Gesellschafter darf nur in engen Grenzen möglich sein.

Der Entscheidung des BGH ist jedoch im Kern Recht zu geben. Ein Gesellschafter ist in seinem Abstimmungsverhalten frei, auch wenn die Gründe für ein Abstimmungsverhalten Außenstehenden zunächst nicht nachvollziehbar erscheinen. Dass ein Gericht auf den internen Willensbildungsprozess einer Gesellschaft Einfluss nehmen kann, muss die absolute Ausnahme bleiben. Denn letzten Endes kann ein Gericht nie den gleichen Wissensstand über ein Unternehmen und alle Entscheidungsfaktoren haben wie die Gesellschafter selbst. Es ist weder ratsam noch wünschenswert, jede Mehrheitsentscheidung einer Gesellschaft durch einen Minderheitsgesellschafter gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies sollte nur in absoluten Ausnahmefällen als letzte Möglichkeit in Betracht kommen, also bei Existenzgefährdung, beziehungsweise Gefährdung des Vermögensbestands.