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Erbschaftsteuer rechtswidrig

In dieser Woche hat das Bundesverfassungsgericht über die Erbschaftsteuer entschieden. William Bauer, Anwalt im Bereich Erbrecht bei KBM Legal, hat sich umfassend mit dem Urteil beschäftigt und kommentiert die Hintergründe zu steuerlichen Fragestellungen.

Da die Gründe des Bundesverfassungsgerichts bereits hinreichend in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts erläutert sind, möchte ich die Gelegenheit nutzen, die Hintergründe zu den steuerlichen Fragestellungen darzustellen und einen Ausblick auf die Folgen der im Widerstreit stehenden politischen Ansichten – die auch durch das Sondervotum der Verfassungsrichter Gaier, Masing und Baer deutlich werden – wagen.

Die gesetzgeberische Intention hinter den Steuerprivilegien für Unternehmensvermögen war und ist die Förderung generationenübergreifender Fortführungen von Unternehmen, die das Rückgrat der Wirtschaft unseres Landes darstellen. Deutschland hat weiterhin einen starken Mittelstand, d.h. es herrschen keine im Staatsbesitz stehenden Unternehmen oder Großkonzerne vor, die das wirtschaftliche Leben in Deutschland prägen. Die Realität im Mittelstand ist jedoch: bei kleinen und mittelständischen Familiengesellschaften fehlt oftmals die notwendige Liquidität, um die Erbschaftsteuer zu zahlen. Das Geld „steckt in der Firma“, die Firma sichert wiederum Arbeitsplätze und gerade nach Tod der Person, die das Unternehmen geführt hat, will der Staat die Erben nicht mit der Situation konfrontieren, einen Kredit aufnehmen zu müssen, nur um die Erbschaftsteuer zu bezahlen.

Das Steuerprivileg beschäftigt sich mit der besonderen Situation im Erbfall, der die Erben ausgesetzt sind. In der Realität sieht es oftmals so aus, dass gerade ein mittelständisches Unternehmen nach dem Tod des Firmengründers in eine wirtschaftliche Schieflage gerät. Das Unternehmen verliert sprichwörtlich den Kopf, das Aushängeschild. Die Kunden verlieren ihren Ansprechpartner und brechen eventuell weg. Ob die Erben den Verlust kompensieren und die Kunden halten können, steht noch in den Sternen. Das Unternehmen, das auf dem Papier auf Basis der noch mit dem Unternehmensgründer gefahrenen Umsätze solide dasteht und mit einem hohen Firmenwert bewertet werden könnte, kann in Wirklichkeit bei wegfallenden Aufträgen schnell zu einem Sanierungsfall werden.

Soll in dieser Situation der Staat im vollen Bewusstsein, dass ein Unternehmen bei sofortiger Fälligkeit der Erbschaftsteuer mangels Liquidität in die Insolvenz gerät, an der Eintreibung der Erbschaftsteuer festhalten? Definitiv nein – der Grund weshalb es in Deutschland ein Steuerprivileg für Unternehmensvermögen gibt, besteht darin, dass ein eherner Grundsatz gilt: Das Geld muss erst erwirtschaftet werden, bevor man es ausgeben kann. Und man will gerade nicht diejenigen belasten, die auf eigenes Risiko Ihren Lebensunterhalt erwirtschaften und damit einen wesentlichen Teil zum Wirtschaftskreislauf beitragen. An den Unternehmensvermögen, von denen die Rede ist, hängen Arbeitsplätze. An den Arbeitsplätzen wiederum Menschen, deren Lebensgrundlage diese Arbeit bildet.

Das Steuerprivileg bezweckt daher lediglich, dass der Staat sich zunächst einmal raushält und es den Erben erlaubt, das Unternehmen über Wasser zu halten bzw. fortzuführen. Die Erbschaftsteuer soll gerade nicht zur Belastungsprobe werden. Indem der Gesetzgeber das Steuerprivileg an Bedingungen geknüpft hat, z.B., dass die Erben das Unternehmen fortführen müssen, ohne die Anzahl der Arbeitnehmer zu reduzieren, ist sichergestellt, dass sich die Erben das Steuerprivileg erarbeiten müssen. Sie müssen weiterhin Zeit und Kapital investieren und im Zweifel mit Ihrem gesamten Vermögen für die Zukunft des Unternehmens haften. Die Besteuerung von Unternehmensvermögen ist daher keine Einbahnstraße für Vermögende, die schleunigst abgeschafft gehört, sondern ein gerechter Ausgleich zwischen Fordern und Fördern. Diejenigen, die weiter machen und Verantwortung für ein Unternehmen übernehmen, müssen keine Steuern zahlen. Der Staat erhält weiterhin Steuereinnahmen aus den jährlichen Einkünften des Unternehmens.

Eher fragwürdig halte ich daher die Argumentation des Sondervotums der Richter Gaier, Masing und Baer, die Erbschaftsteuerprivilegierung verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip. Diese Argumentation erinnert bedenklich an Umverteilungsideen und Sozialneiddebatten im Zusammenhang mit der Vermögenssteuer. Die Erbschaftsteuer diene – so Gaier, Masing Baer - nicht zur Erzielung von Steuereinnahmen, sondern sei ein Instrument des Sozialstaats, mit dem verhindert werde, dass der Besitz einiger Weniger nur aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwachse. Die Richter verweisen dazu auf ein Sondervotum zur Vermögensteuer aus dem Jahr 1993, mit dem sie über die Senatsmehrheit hinausgehen und sich auf das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes berufen. In dem Sondervotum wurde darauf hingewiesen, dass rund 18 Prozent der privaten Haushalte über 60 Prozent des gesamten Nettogeldvermögens verfügten. Im Jahre 2007 hätte dieser Anteil sogar nur noch bei 10% gelegen.

Dem Gedanken, es läge in der Verantwortung der Politik mit der Erbschaftsteuer einen Ausgleichs sich sonst verfestigender Ungleichheiten zu schaffen, wurde bereits im Zusammenhang bei der Entscheidung zur Vermögenssteuer eine Absage erteilt. Dennoch zeigt gerade das Sondervotum, dass auch im Bundesverfassungsgericht selbst eine interessante politische Diskussion im Gange ist, die bei den anstehenden Verhandlungen zur Erbschaftsteuerreform im Deutschen Bundestag ihren Fortgang finden werden. Das Bundesverfassungsgericht spricht zu Recht an, dass Umgehungsmodelle für die Erbschaftsteuer entwickelt wurden, die Ungleichbehandlungen zur Folge haben. Derartige Ungleichbehandlung gilt es zu verhindern. Dies wird heutzutage auch durch die Arbeit der Steuerbehörden gewährleistet, die in Steuer- und Betriebsprüfungen ermitteln, ob Steuern optimiert oder aber hinterzogen wurden.

Daher bleibt zu hoffen, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht wieder zu einer Debatte zur Vermögenssteuer oder höhere Erbschaftsteuer führen wird. Die Begehrlichkeiten scheinen – den Medienmeldungen nach - jedenfalls bei einigen Parteien wieder geweckt. Wer jedoch meint, eine Umverteilung von Vermögen von Privatleuten auf den Staat im Wege einer Erbschaftsteuerreform wäre eine erstrebenswerte Lösung, der muss sich mit der Frage beschäftigen, ob wir in Deutschland eine Unternehmenskultur behalten wollen, die als einen Hauptbestandteil auf der Initiative und den Einsatz von Privatleuten beruht oder aber ob der Staat mit der Aufgabe betraut werden soll, die Umverteilung von Vermögen zu koordinieren.